Vorgestellt: Das Amt für Finanzen und Controlling
Die kommunale Finanzverwaltung steht vor ihrer größten Umstrukturierung seit Jahrhunderten: Bisher war es üblich, Einnahmen und Ausgaben eines Haushaltes einander gegenüberzustellen. Nun kommt die „Doppik“, die an das Rechnungswesen in wirtschaftlichen Unternehmen angelehnt ist: Bei der „Doppelten Buchführung in Konten“ werden alle Einnahmen und Ausgaben gleich zweimal erfasst – jeder Geldbewegung auf dem einen Konto steht eine Wertbewegung auf einem Gegenkonto gegenüber.
Kauft die Gemeinde in Zukunft einen Schreibtisch, vermindert sich ihr Guthaben um den Kaufbetrag. Das Geld verschwindet jedoch nicht, sondern wandert auf ein Gegenkonto, auf dem der Wert des Schreibtisches als Zugang verbucht wird. Die Vorteile liegen auf der Hand: Bisher konnte die Gemeinde lediglich sehen, was sie einnimmt und was sie ausgibt – nicht aber, welche Vermögenswerte sie besitzt. Nun wird der Finanzhaushalt um Welten transparenter. Wird in Zukunft ein Mitarbeiter des Bauhofes losgeschickt, um die Blumenbeete zu pflegen, wird man genau wissen, was dieser Auftrag kostet – inklusive Blumenzwiebeln, Lohnkosten und Fahrzeug.
Gesetzlich vorgeschrieben ist diese Umstellung bis Ende 2023. Auf Wunsch der Gemeindevertreter soll sie aber schon zwei Jahre früher stattfinden. Alle Abläufe von der politischen Entscheidung bis hin zu ihrer Umsetzung müssen dafür aber vollkommen neu gedacht werden. Zudem sind Vorarbeiten notwendig, die schon seit anderthalb Jahren laufen. Um eine Eröffnungsbilanz zu erstellen, muss zuvor der Status Quo festgestellt werden: Über welche Vermögenswerte verfügt die Gemeinde eigentlich? „Und dabei reden wir nicht nur von einem Schreibtisch“, erklärt Kerrin Feddersen. „Wir reden von Grundstücken, Straßen, Straßenbeleuchtung, Kanälen und Parkplätzen. All das muss erhoben werden.“
Mitte 2019 hat Feddersen die kommissarische Leitung des Amtes für Finanzen und Controlling übernommen und trat gemeinsam mit ihrem Stellvertreter Martin Marställer an, es in die Zukunft zu führen. Die größte Herausforderung: „Wir müssen lernen, wie ein Unternehmen zu denken.“ Ihr selbst ist diese Denkweise nicht fremd: Während ihrer Ausbildung zur Bürokauffrau und der Arbeit in der Westerländer Kurverwaltung lernte sie nicht nur Buchhaltung, sondern auch Verwaltungsthemen wie Fremdenverkehrsabgabe, Jahreskurabgabe und Zweitwohnungssteuer. Bis heute folgten weitere Ausbildungen, die sie bis auf die Ebene des Verwaltungsfachwirtes hoben; dazu unzählige Lehrgänge im Bereich Finanzen, Haushalt, Bilanzbuchhaltung – und Doppik.
Martin Marställer ist gar eigens für die Doppik nach Sylt gekommen. Vorher arbeitete der Diplom-Verwaltungswirt im Landesdienst und begleitete dort einen Umstellungsversuch auf die doppelte Buchführung. 2007 hat dann das Amt Landschaft Sylt erstmals versucht, die Doppik einzuführen und holte dazu Marställer auf die Insel. „Doch dann wurden wir von der Fusion überrascht.“ Fürs Erste standen andere Themen im Vordergrund, die Doppik war vorerst vom Tisch. „Jetzt aber kann ich endlich das tun, wofür ich gekommen bin.“
Wenn Marställer von Zahlen redet, gerät er ins Schwärmen. „Wir können nun auch Steuerzahlungen reduzieren – das gab es bisher nicht.“ Was unbedeutend klingt, kann große Auswirkungen haben, denn wirtschaftlich betrachtet ist Sylt keine kleine Gemeinde: „Es hängen Eigenbetriebe daran wie der Insel Sylt Tourismus Service, das Kommunale Liegenschafts-Management und die Energieversorgung Sylt. Außerdem verwalten wir vier weitere Gemeinden mit Tourismusbetrieben.“
Gut, dass vor der Fusion bereits so viel Vorarbeit geleistet wurde – könnte man meinen. „Leider sind die Buchhaltungen der Stadt Westerland und des Amtes Landschaft Sylt unterschiedlich aufgebaut und können nicht zusammengeführt werden“, bedauert Feddersen. „Außerdem sind im Zuge der Fusion viele Belege verloren gegangen, die für die Umstellung nötig sind.“ Was hat eine Straßensanierung vor zwölf Jahren gekostet? Daten, die nun aufwändig neu erhoben werden müssen. „Das war auch der Grund, warum wir die Gemeindehaushalte so spät aufstellen konnten: Weil wir die dafür erforderlichen Daten erst ermitteln mussten oder sie nicht zusammenpassten.“
Die Inselverwaltung läuft einer Bestandsarbeit hinterher, die nie gemacht wurde. Das aufzuholen, kostet Zeit, die nebenbei auch in unzählige andere Aufgaben gesteckt werden muss: Touristische Abgaben, Hundesteuer, Gewerbesteuer, Zweitwohnungssteuer – die 28 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Amt für Finanzen und Controlling können das Tagesgeschäft für die Doppik nicht einfach links liegen lassen. Wenn die Leiterin berichtet, was in den vergangenen Jahren alles geschafft wurde, ahnt man, wie sehr das Amt rotiert haben muss: „Wir haben eine einheitliche Zweitwohnungssteuersatzung für die ganze Insel aufgebaut, die Hundesteuersatzung neu erstellt, eine neue Finanzbuchhaltungssoftware eingeführt – und wir haben Corona, was uns gewaltig beschäftigt. Das alles haben wir nur aufgrund unseres fantastischen Teams schaffen können.“
Und nebenbei die Umstellung auf eine neue Buchhaltung und damit eine komplett neue Art, zu denken. „Wenn der Bauhof Grünschnitt verkauft, wenn die Gemeinde irgendwo einen Seminarraum vermietet, dann muss ich das wissen“, erklärt Marställer. „Denn dann muss eine Rechnung geschrieben werden und es fallen Steuern an, die wir abführen müssen.“ Das ist das Controlling im Amt für Finanzen und Controlling und Aufgabe der neuen Software, in der alles zentral zusammenläuft.
Ist die Doppik dann erst eingeführt, wird auch die Politik umdenken müssen, denn die neue Buchhaltung arbeitet mit Zielen und Budgets: Wo die Gemeindevertreter heute beispielsweise die Verbreiterung eines Radweges fordern, werden sie lernen müssen, Ziele wie die Verbesserung der Verkehrssituation für Radfahrer vorzugeben. Wenn das Umdenken aber stattgefunden hat und die Eröffnungsbilanz steht, verspricht Martin Marställer, „ haben wir eine Grundlage geschaffen, die uns für die nächsten Jahrzehnte stabil tragen wird.“