Sylter zeigen Gesicht
Passanten staunten nicht schlecht, als sie am vergangenen Sonntag das kleine Grüppchen sahen, das sich mit Spraydosen bewaffnet über den neuen Bauzaun an der Wilhelmine in der Westerländer Fußgängerzone hermachte. Was sich dort abspielte, war indes keine spontane Graffiti-Aktion, sondern von langer Hand geplant und vorbereitet.
Zur Vorgeschichte: Seit etwa einem Jahr stand fest, dass das historische Gebäude mit dem prägnanten Turm in der Wilhelmstraße kernsaniert werden soll. Die Wilhelmine als Westerländer Wahrzeichen wird nun also für etwa ein Jahr auf einen großen Bauzaun blicken – und mit ihr alle Sylter und Gäste, die sich durch die Innenstadt bewegen. Der Westerländer Ortsbeirat forderte darum, dass ein Bauzaun an dieser prominenten Stelle den Bürgern und nicht dem Kommerz gehören solle.
Auf die Frage, was genau dort im Namen der Bürger entstehen soll, hatte Dorfmanagerin Gesa Michaelsen die passende Antwort: Gemeinsam mit Sylter Vereinen und Bürgern wollte sie Wünsche und Ideen für die Zukunft der Insel entwickeln und grafisch umsetzen. Tatkräftige Hilfe erhielt sie dabei von Inseljugendpfleger Holger Bünte, aber auch Bürgermeister Nikolas Häckel und der Bauherr unterstützten die Aktion.
Gemeinsam mit engagierten Jugendlichen und Erwachsenen wurden Symbole gesammelt, die zeigen sollen, was den Sylterinnen und Syltern für ihre Heimat wichtig ist. Das Ergebnis ist ein Potpourri aus Bildelementen und Schlagworten, die allesamt von einem naturnahen Charakter geprägt sind: „Ein wenig Reduktion“, fasste Gesa Michaelsen den Tenor zusammen. „Etwas weniger Trubel und dafür mehr Besinnung, Ruhe und Zuwendung zur Natur.“
Vorab wurde ein breiter Querschnitt der Sylter Bevölkerung befragt: Jugendliche aus dem Westerländer Schulzentrum, junge Erwachsene aus dem Naturzentrum Braderup und die Frauengruppe der Gleichstellungsbeauftragten Andrea Dunker durften ihre Gedanken zu dem Thema einbringen, auch die jüngst ins Leben gerufene Initiative „Merret reicht’s“ wurde mit eingebunden. „Wir haben darauf Wert gelegt, aus einer Fülle heraus zu denken und nicht aus einem Mangel“, erklärte Holger Bünte das Vorgehen. „Unser Fokus lag nicht darauf, was falsch läuft oder fehlt, sondern darauf, was wir erreichen wollen.“
Für die künstlerische Umsetzung hatte sich die bunt zusammengewürfelte Gruppe aus rund 20 Jugendlichen und Erwachsenen Unterstützung von Juliane Kotterba geholt, die am Gymnasium Sylt Kunst unterrichtet und dabei half, die Wünsche der Sylterinnen und Sylter in bildhafte Symbole umzusetzen und diese an die Wand – beziehungsweise den Bauzaun – zu bringen.
Schon während Inselsilhouette, Möwen, Anker und der Slogan „Natur darf nicht nur Kulisse sein!“ in der rund vierstündigen Aktion auf den Bauzaun gemalt und gesprayt wurden, kam die Gruppe ins Gespräch mit vorbeilaufenden Syltern und Gästen. „Genau das ist es, was wir erreichen wollten“, freute sich der Inseljugendpfleger. „Die Türen für alle ganz weit aufmachen, Gäste für den Blickwinkel der Sylter sensibilisieren und Sylter einladen, an einer gemeinsamen Vision für die Zukunft ihrer Insel mitzuwirken.“