Wie weit ist die Erstellung unserer insularen Inventur?
Seit März sind die Ausgaben der Sylter Gemeinden auf die Pflichtausgaben begrenzt, freiwillige Leistungen trotz stabiler Finanzsituation auf hohem Niveau „eingefroren“.
Weil gesetzliche Fristen für den Abschluss der ersten Inventur gelten, die neu aufzubauende Anlagenbuchhaltung nicht so schnell fertig wurde und die aktuelle Situation damit formell gegen geltendes Recht verstößt, konnten weder die Haushalte der fünf Sylter Gemeinden noch die der zugehörigen Schul- und Zweckverbände und des Amtes Landschaft Sylt verabschiedet werden.

Wie aber konnte es überhaupt so weit kommen und wann können die Haushalte endlich verabschiedet werden?
Ende September hat das Amt für Finanzen und Controlling in einem 24-seitigen Schreiben gegenüber dem Kreis Nordfriesland Stellung bezogen und über den aktuellen Stand der Arbeiten informiert.
Diese starteten bereits Mitte 2019, als Kerrin Feddersen die kommissarische Leitung des Amtes für Finanzen und Controlling übernahm. Gemeinsam mit ihrem Stellvertreter Martin Marställer bereitete sie die Umstellung der Buchführung von der früher üblichen Kameralistik in die wirtschaftliche, betriebliche Doppelte Buchführung in Konten (Doppik) vor. Ab 2024 ist diese neue Form der Buchführung gesetzlich vorgeschrieben.

Der Unterschied: Wo früher lediglich Einnahmen und Ausgaben einander gegenübergestellt wurden, werden nun auf einem zweiten Konto die Wertbewegungen der Gemeinde verbucht: Der Kauf eines Schreibtisches beispielsweise führt wie bisher zu einem Minus in den Finanzen, aber der Wert des Schreibtisches wird dem Anlagevermögen gutgeschrieben. Durch den Gebrauch des Schreibtisches nutzt er ab: Dieser Wertverlust wird in der jährlichen Abschreibung festgehalten.

Um mit dieser Form der Buchhaltung beginnen zu können, muss im Zuge einer Inventur bei allen fünf Inselgemeinden, dem Amt Landschaft Sylt, dem Flughafenzweckverband, dem Landschaftszweckverband, den Schulverbänden und den gemeindlichen Eigenbetrieben erst einmal der Status Quo ermittelt werden: Was besitzt die Gemeinde bereits und was sind die jeweiligen Objekte zum Zeitpunkt der Anfangsbilanz noch wert? Dabei geht es in diesem Fall nicht nur um Geschäftsräume mit ihren Schreibtischen und Maschinen wie in gewöhnlichen Unternehmen, sondern um ganze Ortschaften mit Straßen, Straßenbeleuchtung, Kanalisationen, Park- und Spielplätzen, Verkehrszeichen, Bänken usw. Viele der dafür notwendigen Daten sind noch nie erfasst oder gespeichert worden, andere im Zuge der Fusion zur Gemeinde Sylt verloren gegangen.

Selbstverständlich mussten die Gemeinden und Verbände auch vorher schon ihre Anlagevermögen dokumentieren. Das geschah jedoch in anderer Form, nicht so detailliert und vor allem: In vollkommen unterschiedlichen Strukturen, die sich nicht einfach zusammenführen lassen.

Ein Beispiel: In den Jahren 2006 bis 2008 wurden sowohl von der Gemeinde Sylt-Ost, vom Amt Landschaft Sylt als auch von der Stadt Westerland getrennte Inventarlisten aufgebaut. Nach der Fusion wurden diese aber nie zusammengelegt und nur so weit fortgeführt, wie es zu diesem Zeitpunkt notwendig und gesetzlich vorgeschrieben war.
Diese historischen Anlagenbuchhaltungen sind inzwischen mit Hilfe einer externen Beraterfirma zusammengeführt worden. Seit 2020 wird das Anlagevermögen der Gemeinden und Verbände nun aus der bestehenden Buchhaltung übernommen und in einem elektronischen Archiv gespeichert.

Zurück zur Inventur, neuen Anlagenbuchhaltung:
Unsere erste Inventur wurde ja leider nicht innerhalb der gesetzlichen Frist fertig, daher konnte der Kreis uns die Haushalte für das Jahr 2021 nicht genehmigen und musste uns zur Vorlage der neuen Anlagenbuchhaltung verpflichten.
Dies setzt das Amt für Finanzen und Controlling enorm unter Druck – daran ändern auch 2,5 zusätzlichen Mitarbeiterstellen und externe Berater nicht viel.

Um zu verstehen, welche Mammutaufgabe das Amt für Finanzen und Controlling derzeit zu stemmen hat, muss man beim Infrastrukturvermögen beginnen:
Allein das umfasste zu Beginn rund 450 Straßen und Wege, 20.000 Anlagen für die Oberflächenentwässerung, weit über 1000 Hydranten, dazu Parkplätze, Spiel- und Sportplätze mit ihren Spiel- und Sportgeräten und mehr.

Jedoch existierten auch dort verschiedene Listen, in denen einige Straßenbestände in Metern, einige in Quadratmetern und andere in Stückzahlen angegeben waren. Darum wurde ein Knoten- und Kantenmodell in Auftrag gegeben: Alle Straßen der Insel werden dabei in ein digitales Netz aus standardisierten Straßenmodellen und Knotenpunkten übertragen.
Im Laufe der Bearbeitung waren komplexe Abstimmungen mit der externen Firma nötig, wodurch das fertige Modell erst Mitte 2021 ausgeliefert wurde.

Das Ergebnis: weitere 650 bisher noch nicht verzeichnete Straßen und Wege. Sie alle zu überprüfen und zu bewerten wird noch Jahre dauern. Ignoriert werden dürfen sie aber nicht.

 

 

 

 

Für die aktuellen Haushaltsplanungen wird also eine Hochrechnung genügen müssen:
Alle neu aufgetauchten Straßen und Wege werden aufgenommen und mit einem Euro eingetragen, bis die vollständige Bewertung erfolgt ist.
Das gleiche gilt für neu aufgetauchte Anlagen und Grundstücke: Durch das Knoten- und Kantenmodell konnten mittlerweile 3.528 Flurstücke herausgearbeitet werden, die sich im Eigentum der Gemeinden und Verbände befinden. Auch hier bedarf es noch der Bewertung und Zuordnung. Diese wird sich noch bis 2022 hinziehen.

Die Aufarbeitung aller Daten kann nur strukturiert und gemeindeweise erfolgen. Dabei arbeitet sich die Inselverwaltung von Nord nach Süd über alle Inselgemeinden voran.
Schon bei der ersten Gemeinde List müssen 1731 einzelne Anlagengüter überprüft und mit dem neuen Modell abgeglichen werden sowie 260 Flurstücke mit den dazugehörenden 62 baulichen Anlagen bewertet und entweder der Gemeinde List oder der Kurverwaltung List zugewiesen werden.

Dabei stellte sich heraus, dass die übermittelten digitalen Daten noch Fehler beinhalten. Mal wurde ein Strandweg nicht mit aufgenommen, mal sind Knotenpunkte verzeichnet, die es nicht gibt. Für List sind es etwa 30 Fehler, die einzeln korrigiert werden müssen. An der Überprüfung arbeitet das Amt für Finanzen und Controlling seit Ende Juni. Wenn sich alle Mitarbeiter des Amtes mit Hilfe des externen Ingenieurbüros ausschließlich nur noch um diese eine Gemeinde List kümmern, könnten die Arbeiten Ende 2021 abgeschlossen sein.

Einfacher sind die Anlagenbuchhaltungen für die Schulverbände und das Amt Landschaft Sylt. Voraussichtlich bis Ende März könnten dessen Buchhaltungen abgeschlossen sein. Anschließend würden die Gemeinden Kampen, Wenningstedt-Braderup, Sylt und Hörnum folgen, denen sich dann der Zweckverband Inselgemeinschaft Flugplatz Sylt und der Landschaftszweckverband Sylt anschließen würden. Genaue Zeitangaben lassen sich hier nicht mehr machen, da so gut wie alles genauso gründlich überprüft werden muss wie bei der Gemeinde List.

Da gerade bei der Gemeinde Sylt aufgrund ihrer Größe mit erheblichem Korrekturbedarf gerechnet wird, ist mit einer vollständigen Anlagenbuchhaltung aller Gemeinden und Verbände nicht vor Mitte 2023 zu rechnen.

Was also tun, um die Haushalte der Sylter Gemeinden endlich wieder in Gang zu bringen?
Ein pragmatischer Kompromissvorschlag wäre, die bestehenden Anlagenbuchhaltungen aus dem Haushaltsjahr 2020 so fortzuführen, wie sie bisher immer geführt und akzeptiert wurden und sie immer dann, wenn eine Anlagenbuchhaltung einer Gemeinde oder eines Verbandes vollständig überprüft wurde, komplett auszutauschen.

Keine Frage: Den Aufwand für die Erstellung des Infrastrukturvermögens hat auch die Inselverwaltung falsch eingeschätzt. Die neuen Anlagenbuchhaltungen bei diesem Arbeitsaufwand aber schon für das laufende Jahr zu fordern, ist eine unlösbare Aufgabe.

Das wichtigste Ziel muss sein, zur Einführung der Doppik im Jahr 2024 eine saubere Eröffnungsbilanz vorweisen zu können. Wir arbeiten weiter mit Hochdruck daran, die berechtigten Forderungen der Oberen und Unteren Kommunalaufsicht zu erfüllen – leider haben wir die Herausforderungen und die vorhandene Datenlage falsch eingeschätzt und so unseren Zeitplan nicht einhalten können.