Gemeinde Sylt gedenkt den Opfern des Warschauer Aufstandes

Aug 5, 2020 | Aktuelles

Die Flaggen vor dem Rathaus in Westerland hängen heute auf Halbmast in Gedenken an die Opfer des Warschauer Aufstandes, der mit dem wohl größten Kriegsverbrechen des Nationalsozialismus endete. Maßgeblich beteiligt an der blutigen Niederschlagung des Aufstandes war Heinz Reinefarth, der später als Bürgermeister in Westerland amtierte.

2014 wurde diese unsägliche Verbindung aufgearbeitet und eine Gedenktafel mit folgendem Text am Rathaus angebracht: „Warschau, 1. August 1944. Polnische Widerstandskämpfer stehen auf gegen die deutschen Besatzer. Das nationalsozialistische Regime lässt den Aufstand niederschlagen. Mehr als 150 000 Menschen werden ermordet,unzählige Männer, Frauen und Kinder geschändet und verletzt. Heinz Reinefarth, von 1951 bis 1963 Bürgermeister von Westerland, war als Kommandeur einer Kampfgruppe mitverantwortlich für dieses Verbrechen. Beschämt verneigen wir uns vor den Opfern und hoffen auf Versöhnung.“

Im vergangenen Jahr besuchten Bürgervorsteher Peter Schnittgard und Bürgermeister Nikolas Häckel die Gedenkveranstaltungen zum 75. Jahrestag des Aufstandes in Warschau. Da sie coronabedingt in diesem Jahr nicht nach Polen reisen konnten, legten sie heute an der Gedenktafel Blumen nieder. „Die Erfahrungen des letzten Jahres waren sehr prägend und unfassbar emotional“, berichteten Bürgervorsteher und Bürgermeister. „Wir haben uns dieser düsteren Vergangenheit gestellt und wiederholen unsere Bitte um Vergebung und unseren Wunsch auf Versöhnung.“

Die wohl prägendste Erfahrung für beide war das Gespräch mit einer Überlebenden des Aufstandes, der folgendes Gedicht sehr am Herzen liegt:

Gebet der „Grauen Reihen”

Vor Krieg, Elend und Hungersnot,
Dem Blutvergießen der Nation.
Vor der Verzweiflung Tränenmeer,
Bewahre uns, Herr.

Vor der Unsicherheit in jeder Nacht,
Vor der hoffnungslosen Ohnmacht.
Vor der Angst, was kommt nachher,
Bewahre uns, Herr.

Vor Bomben, Granaten und Feuer,
Und Furcht im Herzen, so ungeheuer.
Vor der Furcht wie Sterben schwer,
Bewahre uns, Herr.

Vor der Resignation in der Niederlage,
Aber auch dem Hochmut am Siegestage.
Vor Leid, aber auch vor Rache schwer,
Bewahre uns, Herr.

Bewahre uns vor dem Bösen und dem Hassen,
Auf dass wir Vergeltung unterlassen.
Für tiefe Vergebung vielmehr,
Gib uns die Kraft, Christus, Herr.

Für die Dauer von 63 Tagen – so lange dauerte der Aufstand – steht im Rathausfoyer nun eine Ausstellung mit Informationen zu Heinz Reinefarth und dem Warschauer Aufstand.