Bauen
Wie ist das mit der Nutzung von Kellern und Dachböden zu Aufenthaltszwecken?
„Weitere Räume im Warftgeschoss“ oder „Wohnen auf vier Ebenen“, so oder ähnlich werden die Flächen in Kellern und Spitzböden auf Sylt beworben. Das schließt Wohn- und Schlafräume in diesen Etagen regelmäßig mit ein, denn: Dem Platz auf unserer Insel sind enge Grenzen gesetzt, der Phantasie der Vermieter und Verkäufer in Bezug auf Einnahmemöglichkeiten offensichtlich nicht.
Oft treibt auch wirtschaftliche Not die Insulaner dazu, in Kellern zu schlafen oder gleich ganz zu wohnen. Geschichten von Syltern, die sich Ihr Haus nur dadurch finanzieren konnten, indem Sie in der Saison in den Keller zogen und ihre Wohnung für Gäste frei machten, sind noch allgegenwärtig. Aufgrund dieser Historie, und weil die Ausnutzung der Vermietobjekte bis in den letzten Winkel hier Usus ist, wird landläufig eine Duldung dieser Situation angenommen.
Aber mitnichten: Man kann durchweg davon ausgehen, dass die Nutzung der Keller und Spitzböden zu Aufenthaltszwecken „schwarz“ geschieht, also ohne Baugenehmigung und auf eigenes Risiko der Eigentümer oder Vermieter. Diese stehen somit im Fall eines Brandes oder Unfalles, insbesondere mit Personenschäden, voll in der Verantwortung. Werden solche Fehlnutzungen der Bauaufsicht angezeigt oder amtlich festgestellt, so sind sie zwingend bauordnungsrechtlich zu verfolgen.
Dass Keller und Spitzböden in aller Regel lediglich zu Abstellzwecken oder als Haustechnikräume, also nur zum „vorübergehenden Aufenthalt“, wie es die Landesbauordnung ausdrückt, genehmigt werden, hat gute Gründe. Allerdings halten sich manche Makler und Vermieter allenfalls „vorübergehend“ damit auf, über baurechtliche Konsequenzen und Risiken nachzudenken.
Die Landesbauordnung zielt nämlich auf die Sicherheit von Personen und gesunde Wohnverhältnisse ab. Dementsprechend ist das Wohnen nur in Räumen zulässig, in denen die Nutzer eine ausreichende natürliche Belichtung und Belüftung vorfinden sowie eine Mindestraumhöhe. Weiterhin müssen zwei getrennte Rettungswege vorhanden sein, und nicht zuletzt ist eine ausreichende Brandsicherheit der Bauteile notwendig, um die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten.
Auch die Gemeinden haben im Rahmen ihrer baurechtlichen Ortssatzungen ein Wort mitzureden, wenn es um die Ausnutzung von Grundstücken geht. Um die städtebauliche Gestalt und das Ortsbild zu regeln, können Festsetzungen getroffen werden, die die Legalisierung des Aufenthaltes in Kellern und Spitzböden erschweren oder verhindern.
Auch wenn die neueren Ferienobjekte vom Keller bis zum First hochwertig ausgestattet sind und die Gäste im Untergeschoss nachts keinen Unterschied zu oberirdischen Zimmern ausmachen werden, darf die Frage (abseits des Baurechts) gestellt werden: Ist das der Standard, den wir uns für Sylt wünschen? Schließlich kommen die Erholungssuchenden ja auch deswegen her, um der Enge zuhause zu entfliehen, hier Licht und Luft zu finden und wieder einen Bezug zur Natur herzustellen. Ob das dann mit eingezogenem Kopf im Spitzboden oder mit Blick in den Lichtschacht noch gelingt, sei mal dahingestellt.
Wie ist das mit der Nutzung von Kellern und Dachböden zu Aufenthaltszwecken? II
Wer es genau wissen will: Baurechtliche Rahmenbedingungen
Aufenthaltsräume allgemein
Definition:
Räume, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind, gelten gemäß Landesbauordnung als Aufenthaltsräume (LBO § 2 (6)). Das beinhaltet unter anderem Wohn- und Schlafräume, Küchen, Arbeits- und Gästezimmer. Hingegen gelten Bäder und WCs, Saunen, Wellnessbereiche und Schwimmbäder in der Regel nicht als Aufenthaltsräume im Sinne der Landesbauordnung. Dazwischen gibt es Grenzbereiche.
Belichtung und Belüftung
Aufenthaltsräume müssen unmittelbar ins Freie führende Fenster von solcher Anzahl und Beschaffenheit haben, dass die Räume ausreichend belüftet und mit Tageslicht beleuchtet werden können (notwendige Fenster). Das Rohbaumaß der Fensteröffnungen muss mindestens ein Achtel der nutzbaren Grundfläche des Raumes haben (LBO § 48 (2)).
Raumhöhe
Aufenthaltsräume müssen eine lichte Raumhöhe von mindestens 2,40m haben. Aufenthaltsräume im Dachraum müssen eine lichte Höhe von mindestens 2,30m über mindestens der Hälfte ihrer Grundfläche haben; Raumteile mit einer lichten Höhe bis zu 1,50m bleiben bei der Berechnung der Grundfläche außer Betracht (LBO § 48 (1)).
Rettungswege
Für Nutzungseinheiten mit mindestens einem Aufenthaltsraum müssen in jedem Geschoss mindestens zwei voneinander unabhängige Rettungswege ins Freie vorhanden sein (LBO § 34 (1)).
Für Nutzungseinheiten, die nicht zu ebener Erde liegen, muss der erste Rettungsweg über eine notwendige Treppe führen. Der zweite Rettungsweg kann eine weitere notwendige Treppe sein oder über eine mit Rettungsgeräten der Feuerwehr erreichbare Stelle der Nutzungseinheit führen (LBO § 34 (2)).
Die nutzbare Breite notwendiger Treppen muss für den größten zu erwartenden Verkehr ausreichen (LBO § 35 (5)). Als Mindestbreite können hier i.d.R. 0,80m zwischen den Handläufen angesetzt werden.
Fenster, die als Rettungswege dienen, müssen im Lichten mindestens 0,90m x 1,20m groß sein. Liegen diese Fenster in Dachschrägen oder Dachaufbauten, so darf ihre Unterkante oder ein davor liegender Austritt von der Traufkante (horizontal gemessen) nicht mehr als 1,00m entfernt sein (LBO § 38 (5)).
Kellerlichtschächte vor Rettungswegfenstern müssen i.d.R. mindestens 0,80m tief sein (horizontal gemessen), um das Flüchten bzw. Retten von Personen zu ermöglichen.
Brandschutz
An die Brandsicherheit von Wänden und Decken zwischen Aufenthaltsräumen oder Einheiten unterschiedlicher Nutzung werden erhöhte Anforderungen gestellt, die zwingend zu erfüllen sind (LBO §§ 30-33). Es wird i.d.R. mindestens eine Feuer hemmende (F-30) Ausführung verlangt. An Türen werden ebenfalls entsprechende Anforderungen gestellt.
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Keller speziell
Bauordnungsrecht (Rechtsgrundlage: Landesbauordnung LBO, Basis für Ortsgestaltungssatzungen):
Das Untergeschoss (Keller) wird für gewöhnlich zu Abstellzwecken, zur Unterbringung haustechnischer Anlagen oder als Hobbyraum genutzt. Der Aufenthalt von Personen verbietet sich meist aufgrund der fehlenden Rahmenbedingungen für gesunde und sichere Wohnverhältnisse.
Sollen Kellerräume dennoch als Aufenthaltsräume genutzt werden, sind die Mindestanforderungen der Landesbauordnung zu erfüllen.
Bauplanungsrecht (Rechtsgrundlage Baugesetzbuch BauGB, Landesbauordnung LBO, Baunutzungsverordnung BauNVO für: Bebauungspläne, Erhaltungssatzungen).
Bauplanungsrechtlich kann die Nutzung von Kellern zum Aufenthalt durch folgende Festsetzungen in bauplanungsrechtlichen Satzungen reglementiert werden:
- Geschossflächenzahlen (GFZ) in Verbindung mit Geschossigkeit und Gebäudehöhen.
Diese Rahmenbedingungen sind i.d.R. so aufeinander abgestimmt, dass die zulässige Geschossfläche nur für das Erd- und das Dachgeschoss ausreicht. Gegebenenfalls ist in der GFZ noch Reserve, um einzelne Räume in Kellern mit einzubeziehen, sofern sie mit sonstigen bauordnungs- und planungsrechtlichen Vorgaben übereinstimmen. - Verbot von Abgrabungen am Haus, Begrenzung der Breite und Tiefe (Auskragung) von Kellerlichtschächten, maximale Sockelhöhe. Damit kann die für Aufenthaltsräume erforderliche ausreichende Belichtung und Belüftung ggf. nicht hergestellt werden. Der erforderliche zweite Rettungsweg wird ggf. erschwert oder unmöglich gemacht.
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Spitzböden speziell
Bauordnungsrecht (Rechtsgrundlage: Landesbauordnung LBO, Basis für Ortsgestaltungssatzungen):
Der Spitzboden, also die Ebene über dem Dachgeschoss, wird in der Regel zu Abstellzwecken genutzt. Der Aufenthalt von Personen verbietet sich meist aufgrund der fehlenden Rahmenbedingungen für gesunde und sichere Wohnverhältnisse. Sollen Spitzböden dennoch als Aufenthaltsräume genutzt werden, sind die Mindestanforderungen der Landesbauordnung zu erfüllen.
Bauplanungsrecht (Rechtsgrundlage Baugesetzbuch BauGB, Landesbauordnung LBO, Baunutzungs-verordnung BauNVO für: Bebauungspläne, Erhaltungssatzungen).
Bauplanungsrechtlich kann die Nutzung von Spitzböden zum Aufenthalt durch folgende Festsetzungen in bauplanungsrechtlichen Satzungen reglementiert werden:
- Geschossflächenzahlen (GFZ) in Verbindung mit Geschossigkeit und Gebäudehöhen.
Diese Festsetzungen sind i.d.R. so aufeinander abgestimmt, dass die zulässige Geschossfläche nur für das Erd- und das Dachgeschoss ausreicht. Gegebenenfalls ist in der GFZ noch Reserve, um den Spitzboden mit einzubeziehen, sofern die sonstigen bauordnungs- und planungsrechtlichen Rahmenbedingungen stimmen. - Dachneigung, First- und Traufhöhen. Dadurch wird ggf. verhindert, dass im Spitzboden überhaupt die erforderliche lichte Raumhöhe erreicht wird.
- Ausschluss von Dachflächenfenstern und Gauben oberhalb der Kehlbalkenlage oder Begrenzung der zulässigen Größen dieser Öffnungen. Damit können unter Umständen der für Aufenthaltsräume erforderliche 2. Rettungsweg (90/120cm im Lichten) und die ausreichende Belichtung nicht umgesetzt werden.
- Erhaltungssatzungen gem. § 172 BauGB können Dacherhöhungen, Dachflächenfenstern oder Dachaufbauten entgegenstehen, sofern dadurch die Erhaltungsziele gestört werden. Das gleiche gilt für denkmalgeschützte Gebäude.
Die vorstehenden Ausführungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzen keine Bauberatung der Baugenehmigung. Zuständig in bauordnungsrechtlichen Fragen ist die Untere Bauaufsicht des Kreises Nordfriesland.
Baurecht-Thema "Abweichungen, Befreiungen und Ausnahmen"
„Ich beantrage Dispens!“ Mit dieser altertümlichen und im Baurecht nicht mehr gebräuchlichen Formulierung will der Antragsteller zum Ausdruck bringen, dass er eine Abweichung, Ausnahme oder Befreiung von baurechtlichen Vorgaben möchte, da seine Vorstellungen von den Regelungen des Baurechts abweichen.
Die vorgenannten Begriffe werden oft in einen Topf geworfen. Dabei unterscheidet das heutige Baurecht hier sehr deutlich und stellt an jede dieser Fälle ganz bestimmte Anforderungen.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass für alle drei genannten Anträge der Landrat des Kreises Nordfriesland als untere Bauaufsichtsbehörde zuständig ist. Dieser trifft bei Ausnahmen und Befreiungen seine Entscheidung im Einvernehmen mit der betroffenen Gemeinde.
Bei Abweichungen ist das Einvernehmen nur dann erforderlich, wenn es sich um eine Abweichung von einer örtlichen Bauvorschrift (z.B. Ortsgestaltungssatzung) handelt.
Alle Anträge sind, bis auf Ausnahmen im regulären Genehmigungsverfahren, schriftlich zu beantragen und zu begründen.
Entsprechende Anträge sind, sofern sie nicht im Rahmen von Bauanträgen abgehandelt werden, vierfach bei der Gemeinde einzureichen. Drei Ausfertigungen leitet das Inselbauamt an den Kreis Nordfriesland weiter, ein Exemplar wird für den jeweiligen Bauausschuss vorbereitet, der im Rahmen seines Ermessensspielraumes über die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens entscheidet.
Baurechtliche Einordnung
Abweichungen werden unter § 71 LBO (Landesbauordnung) wie folgt geregelt:
Die Bauaufsichtsbehörde kann Abweichungen von Anforderungen der LBO und aufgrund der LBO erlassener Vorschriften (z.B. Ortsgestaltungssatzungen) zulassen. Sie müssen unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein.
Ausnahmen regelt das BauGB (Baugesetzbuch) unter § 31 (1) folgendermaßen:
Von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. Im Satzungstext sind die Voraussetzungen für eine Ausnahmegewährung festzusetzen.
Befreiungen werden unter § 31 (2) BauGB geregelt:
Von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes kann befreit werden, wenn
die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und
1. Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder
2. die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3. die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde, und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Befreiungen können nur in einem sehr beschränkten Umfang gewährt werden, weil ihnen stets atypische Fallkonstellationen zu Grunde liegen müssen.
Hinweise
Für den Fall, dass Abweichungen, Ausnahmen oder Befreiungen im Zuge eines Bauantrages beantragt werden sollen, ist dieses auf Seite zwei des Bauantragformulars kenntlich zu machen.
Die vorstehenden Ausführungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzen keine Bauberatung. Zuständig in allen baurechtlichen Fragen ist die Untere Bauaufsicht des Kreises Nordfriesland.
Bauvoranfrage
Um einzelne Fragen oder die grundsätzliche Zulässigkeit von Bauvorhaben zu klären, empfiehlt sich die Einreichung einer Bauvoranfrage (Antrag auf Vorbescheid gem. LBO § 66). Das ist zum Beispiel sinnvoll, wenn kein Bebauungsplan vorliegt und Fragen zur Einfügung nach § 34 BauGB oder zum Außenbereich nach§ 35 BauGB auftreten.
Die Bauvoranfrage ist in vierfacher Ausfertigung bei der Gemeinde einzureichen, drei Exemplare werden an die Untere Bauaufsichtsbehörde des Kreises Nordfriesland in Husum weiter geleitet, eines geht in den Bauausschuss der entsprechenden Gemeinde. Der Bescheid ergeht durch die Untere Bauaufsichtsbehörde. Auf Grundlage eines positiven Bauvorbescheides kann ein Bauantrag gestellt werden.
Grundstücksentwässerung
Für Fragen im Zusammenhang mit der Erstellung des Entwässerungsantrages steht Ihnen im Bauamt Frau Schwengler unter der (Tel.: 04651-851-623) gerne zur Verfügung.
Schmutzwasser (häusliche Abwässer) und Niederschlagswasser werden in getrennten Einrichtungen beseitigt. Die Zuständigkeit für die Beseitigung des Schmutzwassers regelt der Abwasserzweckverband (vertreten durch Energieversorgung Sylt (EVS)) (www.energieversorgung-sylt.de/energie-wasser/abwasser/).
Bauerhaltung auf Sylt: Was bedeutet das?
Information zum Umgang mit erhaltenswerter Bausubstanz auf der Insel Sylt,
Anwendung des Denkmalrechtes und der Erhaltungssatzung nach § 172 Baugesetzbuch (BauGB)
Die Insel Sylt: Das ist Strand und Meer, Dünen und Heide, Kliffs und Marsch. Doch neben der natürlichen bestimmt ebenso die bebaute Umwelt das Gesicht der Insel. Ob historische Friesen- oder Logierhäuser, Siedlungsbauten, Kirchen oder Leuchttürme: Sie machen Sylt unverwechselbar und tragen zur Identifikation mit der Insel bei, sowohl bei Einheimischen als auch bei Gästen. Und genau so wie die ursprüngliche Natur schützenswert ist, gilt es die ortsbildprägenden Bauten vor Abbruch und entstellenden Veränderungen zu bewahren. Nur durch konsequenten Erhalt dieser Bausubstanz lässt sich das charakteristische und individuelle Erscheinungsbild der Inselorte sichern und bleiben städtebauliche Strukturen ablesbar. Eine positive und individuelle Prägung der Ortsbilder durch die derzeitige Architektur ist in der Regel nicht zu erwarten, hier geht der Trend in Richtung Vereinheitlichung.
Wie aber ist die Erhaltung schützenswerter Bauten durchsetzbar, wo doch die Tendenz der Bauwilligen dahin geht, eine maximale Ausnutzung auf möglichst freiem Baugrundstück umzusetzen? Ökonomische Interessen stehen meist über der moralischen Verpflichtung, ein erhaltenswertes Bauwerk zu bewahren und behutsam, gegebenenfalls unter Verzicht auf Nutzfläche, zu renovieren. Es gilt also, das berechtigte öffentliche Interesse an einem intakten Ortsbild gegenüber rein privaten Belangen zu stärken. Und das ist nur mit Hilfe des Bau- und Denkmalrechtes möglich.
Rechtliche Mittel zum Schutz erhaltenswerter Gebäude:
– Denkmalschutzgesetz (DSchG)
Auf seiner Grundlage können bauliche Anlagen, deren Erhaltung wegen ihres geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen oder die Kulturlandschaft prägenden Wertes im öffentlichen Interesse liegen, zu Kulturdenkmalen erklärt werden. Gegebenenfalls können für Baumaßnahmen an Denkmalen steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten in Anspruch genommen werden. Zuständig sind die Obere bzw. Untere Denkmalschutzbehörde des Landes Schleswig-Holstein bzw. des Kreises Nordfriesland.
– Erhaltungssatzung gemäß § 172 BauGB (in Verbindung mit § 173 BauGB)
Die Gemeinden können per Satzung Gebiete festlegen, in denen die städtebauliche Eigenart erhalten werden soll. Die städtebauliche Gestalt wird in diesen Fällen durch die ortsbildprägende Bausubstanz gebildet. Deshalb bedürfen innerhalb dieser Bereiche der Rückbau, die Änderung oder die Errichtung baulicher Anlagen der Genehmigung durch die Gemeinde.
Die Genehmigung kann versagt werden, wenn durch Abbruch oder Veränderung erhaltenswerter Gebäude eine Beeinträchtigung der schützenswerten städtebaulichen Gestalt oder der Verlust ortsbildprägender Bauten zu befürchten wäre.
Als erhaltenswert gilt eine bauliche Anlage dann, wenn sie allein oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild oder die Stadtgestalt prägt oder wenn sie sonst von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung ist.
Erhaltung nach Erhaltungssatzung bedeutet konkret, ein Gebäude in seiner bestehenden Substanz zu erhalten mit all seinen sichtbaren prägenden Merkmalen. Das Kriterium ist nicht „Schönheit“ oder „Alter“, sondern sind Authentizität und Ablesbarkeit der Historie im Zusammenspiel mit dem städtebaulichen Umfeld.
Die Anwendung der Erhaltungssatzung nach § 172 BauGB basiert auf dem sogenannten zweistufigen Verfahren. Das bedeutet, dass die Gemeinde im ersten Schritt Bereiche, in denen die Stadtgestalt geschützt werden soll, mit der Satzung belegt. Einzelne Gebäude und Ensembles können von der Gemeinde vorab untersucht und für die Erhaltung vorgesehen werden. Erst im zweiten Schritt wird im konkreten Antragsfall entschieden, ob das Vorhaben den Erhaltungszielen entspricht oder ihnen entgegensteht. Dazu hat das Baugesetzbuch in § 173 die Erörterung der für die Entscheidung erheblichen Tatsachen mit dem Antragsteller vorgeschrieben.
Generell gilt: Wenn Sie als Eigentümer, Bauherr oder Planer mit erhaltenswerter Bausubstanz umgehen und Änderungen vornehmen wollen, oder wenn Sie sich unsicher sind, ob Ihr Vorhaben ggf. Erhaltungsbelange berührt: Wenden Sie sich bitte an das Inselbauamt! Dort werden Sie vom unverbindlichen Gespräch bis zum Antrag nach § 172 BauGB beraten.
Sylt hat eine Fülle an erhaltenswerten Bauten und Denkmalen zu bieten:
– Historische Friesenhäuser: Die friesische Bauart zeichnet sich aus durch langgestreckte Baukörper in Ost-West-Richtung mit weit herunter gezogenen Reetdächern, Traufgiebel und Backsteinmauerwerk mit weißen Sprossenfenstern. Insbesondere die Dörfer im Osten Sylts wie z.B. Keitum und Morsum sind durch diese Art Gebäude geprägt.
– Der Bäderstil ist eine ortsspezifische Ausprägung des historisierenden Bauens Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, die den Seebädern an Nord- und Ostsee zu eigen ist. Große Dach-überstände als Schutz vor Sonne und Wetter und leicht anmutende Balkonanlagen, die zur Erholung an der frischen Meeresluft einladen sollen, sind für diesen Stil prägend. Die Fassaden sind meist weiß verputzt oder geschlämmt, auf Sylt aber auch mit dem heimischen Backstein kombiniert. Beispiele finden sich vor Allem in der Westerländer Innenstadt sowie südlich und östlich davon als Wohn- und Logierhäuser.
– Heimatschutzstil: Für Wohn- und Ferienhäuser hielt dieser Baustil Anfang des 20. Jahrhunderts im Sinne der Weiterentwicklung der lokalen Baukultur Einzug. Es wurde auf traditionelle Formen-sprachen und Materialien zurückgegriffen, sodass sich die Gebäude in die Umgebung einfügten, aber dennoch ihre Entstehungszeit nicht verleugneten. Klassische Beispiele finden sich zum Beispiel in Kampen.
Öffentliche Bauten im Heimatschutzstil sind hauptsächlich in Westerland anzutreffen. Markante Merkmale sind die roten Klinkerfassaden mit klar gegliederten Lochfassaden und steil geneigte Walm-dächer. Beispiele: Alte Realschule, Kreisberufsschule, Nicolaikirche, Insel-Bahnhöfe.
– Wohnsiedlungen der 30er bis 50er-Jahre des 20. Jahrhunderts entstanden im Zuge der militärischen Aufrüstung der Insel zur Unterbringung der wachsenden Zahl an Soldaten und Angestellten. Insbesondere an den Hauptstützpunkten List, Hörnum und Westerland sind sie heute noch als Ensembles ortsbildprägend. In Hörnum sind die sogenannte „Weiße Siedlung“ und die „Rote Siedlung“ zu erwähnen, in Westerland die Marinesiedlung im Norden und die Seedeichsiedlung im Südosten.
– Die Ferienhaussiedlungen in den Dünen Lists („Sonnenland“), Rantums und Hörnums („Kersig-Siedlung“) aus den 1960er-Jahren sind zwar nicht mit einer baulichen Erhaltungssatzung belegt, können aber dennoch als ortsbildprägend eingeordnet werden und sind von siedlungsgeschichtlicher Bedeutung.
– Solitäre, die allein prägen: Das sind bauliche Anlagen, die das Sylter Orts- und Landschaftsbild bestimmen, aber meist nicht in die oben genannten Kategorien einzuordnen sind. Zum Beispiel Leuchttürme, das Hügelgrab Denghoog, die Inselkirchen, Tinnum-Burg.
Die Aufzählung ist beispielhaft und nicht abschließend. Jeder aufmerksame Bewohner oder jede Betrachterin dieser Insel werden sich ein Bild machen und die Liste der erhaltenswerten Bauten für sich erweitern oder infrage stellen.
Fest steht aber: Aufgrund der raren Sylter Baugrundstücke und der übermäßigen Nachfrage auf dem Immobilienmarkt stehen private wirtschaftliche Interessen im Vordergrund. Der Verlust erhaltenswerter Bausubstanz ist konkret zu befürchten und bereits Realität. Nur durch konsequente Anwendung der Erhaltungssatzungen und des Denkmalschutzes durch die Gemeinden bzw. Kreis und Land ist diese Entwicklung zu verhindern. Die Bewohner und Bewohnerinnen können diese Ziele unterstützen, indem sie ihre Baukultur wertschätzen und über die öffentliche Meinungsbildung und ihre politischen Vertreter mit zur Erhaltung beitragen.
Hinweise / Begriffsbestimmungen:
Milieuschutz: In den Erhaltungssatzungen nach § 172 BauGB der Inselorte ist in der Regel ebenfalls der Aspekt „Zusammensetzung der Bevölkerung“ (= Milieuschutz) enthalten. Damit soll das Dauerwohnen erhalten werden.
Abgrenzung zum Bestandschutz: Der in diesem Zusammenhang häufig verwendete baurechtliche Begriff „Bestandschutz“ sagt nichts über die Erhaltenswürdigkeit nach §172 BauGB oder Denkmalschutzrecht aus, sondern nur darüber, ob eine bauliche Anlage bauordnungsrechtlich rechtmäßig errichtet wurde und dementsprechend genutzt werden darf. Zuständig ist die Untere Bauaufsicht des Kreises Nordfriesland.
Rechtliche Hinweise: Aus dem vorstehenden Text ergeben sich keinerlei baurechtliche oder denkmalrechtliche Ansprüche. Jedes Vorhaben ist im Einzelfall zu beantragen und mit den zuständigen Ämtern abzustimmen.
Eine Genehmigung nach § 173 BauGB (Erhaltungssatzung) der Gemeinden bzw. des Amtes Landschaft Sylt ersetzt keine bauordnungsrechtliche Genehmigung und keine Genehmigung nach dem Denkmalschutzgesetz. Bauanträge oder Anträge nach dem Denkmalrecht sind ggf. darüber hinaus bei den zuständigen Behörden zu stellen.
Literatur / Links:
– Baugesetzbuch (BauGB) § 172 sowie § 173
– www.denkmal.schleswig-holstein.de
– www.nordfriesland.de/Kreis-Verwaltung/Kreisverwaltung/Fachdienst-Bauen-und-Planen