mit Bürgermeisterin Tina Haltermann im Gespräch
„100 Tage Bürgermeisterin. Viel Kaffee. Viel Papier. Noch mehr Gespräche. Und kein einziger Tag Routine.“
100 Tage im Amt klingt nach einem runden Jubiläum. Wie war Ihr Start als Bürgermeisterin?
Intensiv und toll.
Die Aufgabenvielfalt ist enorm und die Verantwortung, die mit diesem Amt einhergeht, ist groß. Das ganze Gewicht spürt man erst, wenn man es tatsächlich ausübt. Ich war mir dessen zu großen Teilen bewusst und habe – wie im Wahlkampf angekündigt – ohne Einarbeitungszeit direkt mit den großen Themen Nutzungskontrollen, Amtsmodell, Verwaltungsstruktur oder auch Verwaltungszentralisierung losgelegt. Die ersten 100 Tage haben sich entsprechend eher wie die erste Etappe eines sehr intensiven Marathons angefühlt. Gleichzeitig habe ich bei vielen meiner Kennenlerngespräche Vertrauen und eine realistische Erwartungshaltung wahrgenommen. Diese war besonders in der politischen Begegnung spürbar. Den Menschen scheint klar zu sein, dass es der Mitarbeit aller Beteiligten bedarf, um Veränderungen nachhaltig herbeiführen zu können und das freut mich sehr.
Was steht bei Ihrer Arbeit als Bürgermeisterin im Zentrum?
Zuhören und fokussieren.
Es ist gar nicht so einfach die tatsächlichen Aufgaben, Einflussbereiche, Kompetenzen und Grenzen einer Bürgermeisterin zu benennen. In erster Linie bin ich im Moment Verwaltungsleiterin der Inselverwaltung und als solche für über 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich. Gleichzeitig bin ich Ansprechpartnerin für Bürgerinnen und Bürger, für unsere vielen Vereine, die großartiges ehrenamtliches Engagement zeigen, für die politischen Gremien und für die verschiedenen Verbände aus Wirtschaft, Tourismus und Naturschutz sowie dem sozialen Bereich. In meiner Rolle als Bürgermeisterin gilt es, kontinuierlich verschiedene Interessen auszutarieren und Prozesse voranzubringen und dabei die Leistungsfähigkeit meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Auge zu behalten.
Verwaltung im Allgemeinen und die Inselverwaltung im Speziellen gelten in der öffentlichen Wahrnehmung oft als schwerfällig. Was entgegnen Sie?
Demokratie und Beweglichkeit.
Ich bin angetreten, um Menschen zusammenzuführen und Dinge zu ermöglichen. Ich unterstütze Organisationen in ihrem Engagement und verstehe sie als zentrale Partner hinsichtlich der zukunftsfähigen Weiterentwicklung unserer Gemeinde und Insel. Gleichzeitig sollte allen klar sein, dass die Entscheidungen von der Politik getroffen werden und da nehme ich unsere Bürgerinnen und Bürger auch in die Pflicht, sich entsprechend zu informieren und einzubringen. Das geht auch bzw. insbesondere auf unserer kommunalen Ebene gar nicht anders, denn nur so funktioniert unsere Demokratie. Die Verwaltung schafft an dieser Stelle die beschlossenen Spielräume im Rahmen der Möglichkeiten des gesetzlich klar definierten Verwaltungshandelns. Und ja, sowohl politische Entscheidungsprozesse als auch Verwaltungshandeln erfordern oftmals Zeit. Um diese mitunter komplexen Prozesse zu beschleunigen und transparenter zu gestalten bedarf es einer vertrauensvollen und engen Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Politik inklusive der Mitarbeit der Bürgerinnen und Bürger. Diese im Dialog zu gewährleisten ist ein wesentlicher Teil meiner täglichen Arbeit.
Wie gestaltet sich der Austausch mit den anderen Inselgemeinden in der neuen Funktion als Bürgermeisterin?
Visionär und auf Augenhöhe.
Meine Kollegin in Kampen und meine Kollegen in List, Wenningstedt-Braderup und Hörnum leisten alle hervorragende Arbeit und wir stehen im engen, sehr vertrauensvollen Austausch. Das macht auch einfach Sinn, denn die Themen sind oftmals identisch. Da sind die Kontrollen des Kreises ein gutes, aber sicher nicht das einzige Beispiel. Der Weg zur gemeinsamen Amtsgründung ist ein historischer und gleichsam zielführender Schritt. Auf diese Weise schaffen wir klare Zuständigkeiten innerhalb einer leistungsfähigen Verwaltung und bündeln Ressourcen. Damit die heutige Inselverwaltung zur Amtsverwaltung wird, sind allerdings sehr viel Abstimmung, Sorgfalt und auch Geduld gefordert. Einen Amtsdirektor, der sich ausschließlich auf die Führung der Verwaltung konzentrieren kann, sehe ich in diesem Kontext als Gewinn.
Wie erleben Sie den Umgang mit den vielen Anforderungen und Erwartungen an Sie persönlich?
Lehrreich und herausfordernd.
Ehrlicherweise ist dieses Amt in seiner jetzigen Form manchmal fast unmenschlich groß. Wir leben in Zeiten der Veränderung und des Umbruchs. Oftmals funktionieren alte Strukturen nicht mehr und neue Herangehensweisen noch nicht richtig. Es gibt entsprechend viele Einzelfallentscheidungen, die wiederum im Gesamtkontext zu betrachten sind. Daraus ergibt sich natürlich ein sehr großer Kommunikationsbedarf. Es ist dann wiederum schön zu spüren, dass die eindeutige Mehrzahl der Beteiligten diese herausfordernde Zeit erkennt und entsprechend verständnis- und rücksichtsvoll auftritt.
Wie schaffen Sie es bei all dem Druck, nicht wie Ihr Vorgänger in ein Burnout zu rutschen?
Durchatmen statt Schnellschüsse.
Unsere Gemeinde verdient eine Bürgermeisterin, die mit Engagement, innerer Stabilität und einem klaren Wertekompass führt. All das erarbeite ich mir täglich neu, um meinen Führungsstil, der auf Teamgeist und gegenseitiger Unterstützung beruht, erfolgreich etablieren zu können. Ich glaube das geht langfristig nur über eine grundsätzliche innere Haltung dem Amt gegenüber. Ich kann nicht alles alleine stemmen und bin auf die konstruktive und vertrauensvolle Mitarbeit aller angewiesen, um Dinge bewegen zu können. Einerseits. Und andererseits ist doch vollkommen klar, dass niemand vor Krankheit geschützt ist und wir alle gut daran tun, aufeinander zu achten und am Ende des Tages die Menschlichkeit hinter jeder Auseinandersetzung zu sehen.
Wie lassen sich Tourismus und wirtschaftliche Entwicklung mit dem Erhalt von Lebensqualität und Dauerwohnraum vereinbaren?
Im Dialog.
Tourismus und wirtschaftliche Entwicklung bilden die Grundlage für unser Leben auf Sylt – keine Frage, aber genauso wichtig ist, dass unsere Insel ein Zuhause bleibt: mit bezahlbarem Wohnraum, lebendigen Orten und einem Alltag, den sich die Menschen leisten können. Mein persönliches Ziel ist klar. Ich wünsche mir ein lebendiges, wirtschaftlich starkes, sozial verlässliches und geschütztes Sylt. Dafür arbeite ich täglich viele Stunden, bin auf vielen Terminen unterwegs und nehme an zahlreichen Gesprächen und Sitzungen teil, die oft auch abends und an Wochenenden stattfinden. Meine Motivation bleibt uneingeschränkt hoch. Gleichzeitig zeigt meine bisherige Erfahrung, dass ein hohes Arbeitspensum alleine nicht reicht, um entscheidende und notwendige Veränderungen herbeizuführen. Um Sylt in eine gute Zukunft begleiten zu können, brauchen wir eine entsprechende Haltung. Da sind wir alle gefragt, denn ich bleibe dabei, nur gemeinsam sind wir stark. Wir sollten verschiedene Interessen klug und im stetigen Dialog miteinander verbinden und manchmal Kompromisse eingehen.
Wie geht es jetzt weiter? Was wünschen Sie sich für die kommenden Monate?
Miteinander und mit Geduld.
Diese ersten 100 Tage waren intensiv, lehrreich, voller Gespräche und voller Vertrauen, Mut und Geduld. Diese Tugenden sollten wir uns erhalten, denn Veränderung braucht Zeit.
Sylt hat das Potenzial, Vorbild zu sein – für Zusammenhalt, für Zukunftsfähigkeit und für echten Dialog. Davon war, bin und bleibe ich überzeugt! Diese Haltung motiviert und trägt mich.
